Derecho!

Sanfter Regen fällt um viertel nach drei in der Nacht auf das Dach des Vans. Unbedenklich.

Zur Größenordnung:
Des Moines, IA nach Kansas City, MO:
320 km!

Donner kommt dazu. Erst fern, dann näher. Dann Blitze. Alle zehn Sekunden einer. Der Donner rollt minutenlang über den dunklen Prairiehimmel. Von Nord nach Süd, dann etwas nach Osten, bis er schließlich in der Ferne verklingt, um unmittelbar eine Neuauflage zu erfahren.


Der Wind frischt böig auf. Starke Böen.

Zeit für einen Blick auf das Wetterradar.

NICHT GUT.

Für alle, die meteorologisch nicht bewandert sind: Es handelt sich hier um einen ausgewachsenen Derecho.

Derechos sind berüchtigt für extrem hohe Windgeschwindigkeiten, die durch sogenannte "Downbursts" entstehen. Dabei treten Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 km/h streng lokalisiert auf.

Viele werden sich noch an den Downburst in Gifhorn erinnern, der vor drei Jahren extreme Schäden in und um Gifhorn herum anrichtetet. Das war sozusagen die Mikro-Version eines Derechos.

Nichts, was man in einem Campervan mit aufgestelltem Dach abreiten wollte.

Wir krabbeln aus unseren Schlafsäcken, klappen das Dach ein und sitzen eine gute Stunde von halb vier bis halb fünf unten im Van. Better safe than sorry.

Die Gewitter sind sehr beeindruckend. Starkregen, sehr hohe Blitzfrequenz und vor allem der Donner fasziniert.

Kein Tropfen Regen im ganzen Land, from Sea to shining Sea.
Nur bei uns!

Zum Glück  stehen wir nur am ganz nördlichen Rand des Derechos, und obwohl es schon bedrohlich wirkt, kommen wir unbeschadet davon.

Das Niederschlagsradar der gesamten USA zeigt sehr schön, wie gut wir es hatten, das erleben zu dürfen







Wir schlafen noch eine Stunde, dann satteln wir auf:

North Platte, NE! Nur 675 Kilometer von hier! Nur noch 7 Stunden auf der geliebten I80 West!

Bei einem kleinen Versorgungsstop in West Des Moines klappen wir das Dach noch mal auf, damit es trocken werden kann.

Ups...ein blinder Passagier....

Vorsichtig überreden wir unseren Gast (unter Zuhilfenahme kleiner Instrumente) zum Absteigen, und nach kurzer Diskussion ist diese beeindruckende Schönheit auch bereit, doch lieber im heimischen Iowa zu bleiben.




Der Himmel über der Prairie glüht weiß, als wir nach Westen fliegen. Heiß ist es, 35, 36°C.


In Lincoln, NE, ist gut die Hälfte der Strecke geschafft, wir gönnen uns einen Coffeestop im heissen trockenen Prairiewind.

Lincoln ist überraschend hübsch, offenbar kunstbeflissen, es gibt eine ausgeprägte lokale Musikszene. Vom Gefühl her eine angenehme Stadt, hier würde man gerne länger bleiben.







Immer weiter nach Westen, schnurgerade zieht die I80 West von Horizont zu Horizont. Maisfelder, Kartoffelfelder, Mais, Mais, nochmal Kartoffeln. Für in Europa unvorstellbaren Dimensionen.

Die Entfernung von Des Moines nach North Platte entspricht der von Gifhorn nach München. Stellt euch diese Strecke vor mit nur zwei größeren Städten, vielleicht insgesamt zwanzig Dörfern, und ansonsten nur Feldern...

Glücklicherweise sind die Interstates wohl flächendeckend mit G4-Netzen versorgt, und als absehbar wird, daß wir erst spät am Abend im dann immer noch 35°C heissen North Platte ankommen werden, schießen wir eines der letzten Motelzimmer. Zum Solar-Eclipse-Freundschaftspreis. Der ist nur 2 1/2 mal so hoch wie der normale Zimmerpreis....

North Platte ist einer der Hotspots für die Sonnenfinsternis, verkehrsgünstig am Interstate ist dieses Prairiekaff für die Ballungsräume Des Moines, Kansas City und Denver schnell zu erreichen, und es liegt nahezu mitten im Kernschatten. Später erfahren wir, daß für North Platte mit bis zu 400.000 Besuchern für Tag der Sonnenfinsternis erwartet werden.

Also nehmen wir das Zimmer, egal was es kostet, auch wenn die 3,7 Google-Sterne im Nachhinein doch etwas übertrieben erscheinen.

North Platte enttäuscht uns nicht. Nelli, die Rezeptionistin, hat das Solar-Eclipse-Special-Package für uns:

Zwei Sonnenfinsternisbrillen, "Eclipse"-Kaugummi und "Solar"-Kartoffelchips.

Dafür zahlt man doch gerne etwas drauf. Thank You, Nelli, that`s sooo sweet!

Ansonsten ist North Platte genau das Drecknest, das man sich vorgestellt hat: Kreuzungspunkt von  zwei Nord-Süd, und einer Ost-West-Achse.

Bisschen verlottert, MacDonalds, Pizza Hut, Chick-fil-a, Subways. WalMart. Alles etwas schmuddelig.

Was soll´s, das Zimmer ist eiskalt und leidlich sauber. Wir schlendern noch etwas am Ufer des South-Platte-Rivers entlang, bis die seltsamen Gestalten dann mit zunehmender Dunkelheit doch etwas  zu unheimlich werden.

Spät ist es heute geworden, um 23:00 Uhr etwa gehen wir zu Bett und träumen vom Weltuntergang. Der kommt bestimmt. Morgen schon, sagt der National Inquirer.

                                                                                                                   Nächster Tag --->

LINKS

Gefahrene Strecke

Song zum Tag

Lincoln, NE

North Platte, NE

Howard Johnson Inn, North Platte
(unglaublich, was man mit Photoshop alles machen kann)
(oder gibt es schon die App "MotelTune"?)









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